Die Lichtverschmutzung
Der Begriff ´Lichtverschmutzung´ ist als direkte Übersetzung des englischen Begriffs ´light pollution´ etwas irreführend, denn es wird nicht etwa reines Licht verschmutzt, vielmehr ist es das Licht selber, das die Dunkelheit der Nacht verschmutzt. Das Thema ist so komplex, daß man es nicht einfach mal so in einem Absatz ´nebenbei´ behandeln kann. Lichtverschmutzung ist neben der Luft- Wasser- und Bodenverschmutzung als vierte Hauptkomponente der Umweltverschmutzung einzustufen. Mit ebenso gravierenden Folgen für das Leben auf unserem Planeten, denn es wird störend in den Hell-Dunkel-Rhytmus eingegriffen, an den sich das Leben in Jahrmillionen angepaßt hat und von diesem abhängig ist.
Das Bild zeigt Meran von Dorf Tirol aus gesehen in einer typischen klaren Nacht mit mittlerer Transparenz ohne Mondlicht. Der hellste Stern etwas oberhalb der Bildmitte ist Spica im Sternbild der Jungfrau, rechts daneben, etwas unterhalb das Sternbild des Raben. Aufgenommen wurde mit der Canon EOS1000 mit 18mm Brennweite bei Blende 13 und 205s Belichtungszeit @ ISO 800. Die 4 hellen Sterne des Raben (um 3 mag) waren mit dem freien Auge nur schwer zu erkennen. In Zenitnähe kommt man selten über 5 mag hinaus. Die Sommermilchstraße ist im Südteil (Adler - Schütze) nur selten zu sehen, im Zenit (Kassiopeia - Schwan) ist sie sichtbar aber unscheinbar. Die übliche Himmelsqualität dort würde ich als Bortle 6 einstufen. Eine halbwegs vernünftige Deepskyfotografie ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich.
Zum Vergleich mal eine wirklich sehr klare Nacht nach Durchzug einer Kaltfront am 3.5.2014 um 23:46 MESZ. In dieser Nacht wurde auch das Bild vom Messier 51 aufgenommen. Belichtungszeit: 120s @ ISO 800, Blende 3,5, Brennweite: 18mm, selbe Kamera. Oben rechts ist der helle Mars in der Jungfrau gut zu sehen, darunter wieder das Sternbild des Raben. Links sehen wir das Sternbild der Waage mit dem Saturn darin, links darunter kommen schon die drei hellen nördlichen Sterne des Skorpions über den Horizont. Dunklere Sterne ertrinken nach wie vor in der Lichtglocke von Meran - trotz der ungewöhnlich guten Transparenz ist »richtige« Astrofotografie immer noch nicht sinnvoll.
Im Prinzip alle Lebewesen, also Tiere und Pflanzen. Hier nur einige, wenige Beispiele:
- Zugvögel, die nachts unterwegs sind und durch helle Lichtquellen ihre Orientierung verlieren.
- Nachtaktive Insekten, die durch die zahlreichen Lichtquellen angelockt und von ihrem ´Geschäft´ (Futtersuche, Paarung) abgehalten werden. Diese Insekten umfliegen bis zum Erschöpfungstod diese Lichtquellen - allein in Deutschland sterben auf diese Weise jährlich rund 180.000.000.000 Insekten mit gravierenden Folgen in der Nahrungskette anderer Lebewesen.
- Pflanzen werden durch künstliche Lichtquellen in ihrem Wachstumszyklus beeinflusst.
- Menschen und tagaktive Tiere, deren Melatonin-Produktion zur Schlafeinleitung gestört wird. Schlafstörungen und daraus folgende ernsthafte Erkrankungen bis hin zum Krebs können dadurch ausgelöst werden.
- Visuell beobachtende Astronomen, die unter dem aufgehellten Stadthimmel mit ihren Instrumenten nur noch wenige, helle Himmelsobjekte erkennen können.
- Astrofotografen, deren Aufnahmen durch das Photonenrauschen verunstaltet werden.
Die Vielfalt der heute eingesetzten Lichtquellen soll in diesem Aufsatz nicht erschöpfend behandelt werden. Man kann sie grob in thermische Strahler (Gaslampen, Glühlampen, Halogenlampen, Xenonstrahler, Natrium-Hochdruck-Lampen) mit kontinuierlichem Spektrum, Gasentladungslampen (Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen, Natrium-Niederdruck-Lampen) und Halbleiter (LED) mit diskretem Linienspektrum einteilen. Sinnvolle Lampenkonstruktionen vermindern die Lichtverschmutzung und sparen Energie alleine dadurch, daß sie das Licht zielgerichtet auf das bündeln, was erleuchtet werden soll. Nebenbei vermeiden solche Lampenkonstruktionen auch eine gefährliche Blendung im Straßenverkehr. Leider sind solche sinnvolle Konstruktionen die Ausnahme, und die Anzahl der billigen Kugelleuchten mit starker Blendwirkung nimmt überall erheblich zu.
In der Regel wird in großem Stil Licht (und damit auch Energie) verschwendet, in dem es sinn- und ziellos in die Luft gestrahlt und dort gestreut wird. An diesen Mißständen wird sich mit Sicherheit nichts ändern, denn mit der Energieverschwendung wird sehr viel Geld verdient, weswegen ein weiteres Ansteigen der Lichtverschmutzung trotz (oder gerade wegen!) knapper und teurer werdenden Resourcen sehr wahrscheinlich ist. Die enormen Kosten hierfür tragen letztlich über diverse Abgaben alle Bürger, die sich dagegen nicht einmal wehren können.
Aber das ist eine ganz andere Geschichte...
Weniger bekannt ist die Tatsache, daß es neben den künstlichen auch natürliche Lichtquellen gibt, die unseren Nachthimmel aufhellen. Die mit Abstand stärkste natürliche Lichtquelle ist unser Mond, besonders der hochstehende Vollmond im frühen Winter. Aber auch das Zodiakallicht und der Gegenschein hellen als natürliche Streulichtquellen den Nachthimmel auf. Auch das Airglow liefert einen kleinen Anteil an Streulichtphotonen, besonders dann, wenn die Sonne eine größere Aktivität zeigt. Nicht ganz vernachlässigen darf man auch das diffuse Leuchten der Milchstraße, also derjenige Teil des Sternlichts, der nicht in Einzelsterne aufgelöst werden kann. Nördlich des 49. Breitengrades wird es um den 21. Juni (Sommersonnwend) herum nicht ganz dunkel weil die Sonne nicht mehr tief genug unter den Nordhorizont kommt und folglich die astronomische Abenddämmerung fließend in die astronomische Morgendämmerung übergeht.
Zur Beurteilung der Himmelsqualität hat sich die Bortle-Skala eingebürgert. Sie reicht von 1 (perfekt dunkler Himmel) bis 9 (Himmel im Zentrum einer Großstadt). Bortle 1 und 2 kommen in Mitteleuropa nicht vor, in den Genuß von Bortle 3 kommt man nur im Hochgebirge oder in sehr abgelegenen Kammlagen der Mittelgebirge. Die folgende Tabelle stellt die verschiedenen Grade der Lichtverschmutzung zusammen und vergleicht die einzelnen Meßgrößen.
Bortle | mag/"² | Grenzhell.* | Eindruck |
---|---|---|---|
4 | 21,5 | 6,3 | Sehr dunkler Himmel, ´Landhimmel´. Sommermilchstraße ist gut strukturiert und bis zum Horizont sichtbar. Wintermilchstraße ist ebenfalls gut sichtbar. |
5 | 20,5 | 5,5 | Halbwegs dunkler Himmel, ´Dorfhimmel´. Die hellen Bereiche in der Sommermilchstraße sind noch zu sehen, Wintermilchstraße unsichtbar oder nur schwer erkennbar. |
6 | 19,5 | 5,0 | Aufgehellter Himmel, ´Kleinstadthimmel´. Die Sommermilchstraße ist nur noch im Zenit zu sehen, dort aber nur sehr unscheinbar. |
7 | 18,5 | 4,5 | Stark aufgehellter Himmel, ´Stadthimmel´. Die Sommermilchstraße ist nicht mehr zu sehen, sehr armer Sternhimmel. Typisch für die meisten Innenstädte. |
8 | 17,5 | 4,0 | Starke Lichtverschmutzung, ´Großstadtrandhimmel´. Nur wenige Sterne sind zu sehen. Typisch für die meisten Ballungszentren. |
9 | 16,5 | 3,5 | Extreme Lichtverschmutzung, ´Großstadthimmel´. Nur die hellsten Sterne sind noch zu sehen. Der Himmel leuchtet blaß grau-orange und ist so hell, daß man ohne Probleme Zeitung lesen kann. Typisch für die Großstadtmitte. |
Am einfachsten läßt sich die Aufhellung des Nachthimmels mit speziell dafür konstruierten Geräten messen. Der mit dem Kürzel SQM bezeichnete ´Sky Quality Meter´ ist recht bekannt und mißt die Himmelshelligkeit in mag/"² (Magnituden pro Quadratbogensekunde). Dabei ist folgendes zu beachten: Mit dem SQM wird ein großer Himmelsbereich gemessen, Größenordnung: Einige hundert Quadratgrad. Das ist in sofern problematisch, als hier nur die durchschnittliche Helligkeit in diesem Bereich gemessen werden kann. Weiterhin darf dieser Bereich nicht durch Dächer, Bäume etc. abgeschattet sein, auch dürfen dort keine Lichtquellen vorhanden sein (z.B. Mond, Skybeamer, angeleuchtete Schleierwolken...). Das Ergebnis wird also immer etwas ungenau sein. Dafür ist man mit diesem Gerät mobil und kann verschiedene Beobachtungsstandorte sehr gut miteinander vergleichen. Aufpassen an dunklen Standorten, wenn im Bereich der Sommermilchstraße ´gearbeitet´ wird. Die Sommermilchstraße ist unglaublich hell und führt zu einem Meßfehler in der Größenordnung von 0,35 mag.
Bezugsquelle: Sky-Quality-Meter mit Linse [Teleskop-Service]
Man kann aber mit einer ganz normalen Ausrüstung selbst nachmessen, wenn man seine Kamera genau genug kennt. Mit einigen Parametern und dem folgenden ´Taschenrechner´ läßt sich die Lichtverschmutzung recht genau selbst messen. Vorteil dieser Methode ist, daß hier an genau der Stelle am Himmel gemessen wird, an der auch die Aufnahme entsteht oder entstanden ist.
Für die Natur: Artensterben.
Für betroffene Menschen: Schlafstörungen, hormonelle Störungen, erhöhtes Krebsrisiko.
Für den beobachtenden Astronomen: Ausweichen in eine dunklere Gegend, ´Astrotourismus´.
Für den Astrofotografen: Reduzieren der Einzelbelichtungszeit, so wie auf der Seite Belichtung mit der Astrokamera ausführlich beschrieben. Viele lichtschwache DSO sind unter lichtverschmutztem Himmel nicht oder nur bedingt fotografierbar.
Das Problem Lichtverschmutzung kann auf einer einzigen Seite nicht einmal annähernd erschöpfend behandelt werden, dazu ist es einfach zu vielschichtig. Auf der Seite Dark Sky - Initiative gegen Lichtverschmutzung der Fachgruppe DARK SKY vom VdS wird dieses Thema korrekt, sehr fundiert und mit der gebotenen Ausführlichkeit behandelt.
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