Belichtung mit der Webcam
Im Gegensatz zu den "linearen" Astrokameras verfügen die meisten Webcams neben der Einstellmöglichkeit zur Belichtungszeit noch zusätzliche Regler für "Verstärkung" und "Gamma". Beides kann bei richtiger Anwendung recht nützlich sein, wie im folgenden näher erläutert. Doch grundsätzlich sollte man bei der Einstellung der Regler für Belichtungszeit, Verstärkung ("Gain") und Gamma-Wert drei elementare Grundregeln unbedingt einhalten:
• Grundregeln:
- Es ist dafür zu sorgen, daß der Schwarzwert stets "über Null" bleibt! Denn sonst gehen in den dunkleren Bildteilen wichtige Bildinformationen unwiederbringlich verloren.
- Die hellsten Bildteile dürfen nicht überbelichtet werden! ("Ausbrennen")! Auch hier gehen wichtige Bildinformationen verloren, die nicht wiederhergestellt werden können.
- Den verfügbaren Dynamikumfang der Kamera möglichst gut nutzen! Denn das sind in der Regel nur 8 Bit, also ein Dynamikumfang von bestenfalls 1:256 oder anders ausgedrückt: Nur maximal und auch nur rein theoretisch 6 Magnituden. Die hellsten Bildanteile sollten demnach zwischen 90% und 99% Maximalhelligkeit betragen. Sonst bekommt man besonders am Planeten diese häßlichen "Zwiebelringe".
• Belichtungszeit (Automatik ausschalten!):
Die Einstellung der Belichtungszeit kann bei den meisten Webcams nur in sehr groben Schritten vorgenommen werden. Um erst mal einen groben Anhaltspunkt zu bekommen, sollte der Regler für die Verstärkung vorübergehend auf "0" gestellt werden. Danach die Belichtungszeit schrittweise vergrößern bis die hellsten Bildanteile leicht sättigen. Belichtungszeit dann um eine Stufe verringern (Grundregel Nr. 2!) und es dabei belassen, denn die Feinjustierung wird dann mit dem Verstärkungsregler vorgenommen. Bei lichtschwächeren Himmelsobjekten nutzt man die maximale Belichtungszeit, in dem man die Übertragungsrate auf 5 Bilder / Sekunde einstellt. Warum das so ist wird auf der Seite "ToUcam: Reale Belichtungszeit" ausführlich erläutert. Der Regler steht dann auf "1/25s", was aber einer realen Belichtungszeit von 0,2s entspricht. Falls das Bild dann immer noch zu dunkel ist, dann hilft nur noch eins: Rauf mit der ...
• Verstärkung ("Gain" / "Gewinn" / "ISO"):
Der erste "Sonderregler" steuert einen Verstärker zwischen CCD-Chip und ADC. Dieser fehlt bei den spezialisierten Astrokameras, ist aber bei Webcams und DSLR's (dort ist es die Einstellung "ISO-Wert") durchaus üblich. Die Bezeichnungen "Gain / Gewinn / ISO" suggerieren eine Steigerung der Empfindlichkeit, was aber de facto nicht der Fall ist. Vielmehr dient die Verstärkung einer linearen Aufhellung und Kontrastverstärkung des Livebilds und damit einer Aufhellung und Verstärkung aller Bildanteile, also auch die des unerwünschten Rauschens. Präziser ausgedrückt: Am so wichtigen Signal / Rauschverältnis ändert sich absolut nichts. Dafür aber am Ausnutzen des Dynamikbereichs des ADC's, denn dieser ist mit 8 Bit - wie schon erwähnt - nicht gerade üppig (Grundregel Nr. 3).
Und trotzdem kann man gerade mit der sinnvollen und präzisen Einstellung der Verstärkung viel Gutes tun. Zunächst einmal sollte der Verstärker so eingestellt werden, daß das Grundrauschen und der Schwarzwert im Livebild nicht völlig im Schwarz versinkt, siehe auch Grundregel Nr. 1. Als "Feinkorrektur" der in der Regel sehr groben Abstufung der Belichtungszeiten ist die Verstärkungsregelung ebenfalls unerläßlich. Hierbei sollte aber möglichst versucht werden, das Bild erst mal durch eine längere Belichtungszeit und erst dann durch Erhöhen der Verstärkung heller zu machen. Denn sonst wird das unvermeidliche Rauschen unnötig gegenüber dem Nutzsignal verstärkt.
Fazit:
Verstärkung so groß wie nötig (Grundregel 1) und so gering wie möglich (Rauschen) einstellen.
• Gamma-Wert:
Der tiefere Sinn dieses 2. "Spezialreglers" ist nicht ganz leicht zu verstehen. Aber auch nicht so schwer ;=} Normalerweise ist die Helligkeitsdarstellung linear, so wie bei allen Astrokameras. Nun kann es gerade in der Astrofotografie vorkommen, daß der knappe Dynamikbereich von 8 Bit bei Webcams vom Himmelsobjekt gnadenlos gesprengt wird. Dagegen sind die Astrokameras mit ihren "dicken" 16-Bit-ADC's beinahe immun und können über dererlei "Spielereien" nur müde lächeln.
Ein Beispiel:
Wir wollen einen hellen Doppelstern aufnehmen. Die hellere Komponente leuchtet mit 7 Magnituden recht kräftig, was die Belichtungszeit im 10-Zoller schon mal auf 1/25 Sekunden festlegt, bei recht geringer Verstärkung sogar. Der hellste Bildpunkt wird also einen Wert von ca. 250 annehmen. Sein Begleiter kommt mit 12 Magnituden daher - das ist 100× schwächer! Also ein Wert zwischen 2 und 3 - im Rauschen der Kamera völlig unsichtbar! Trotzdem ist ein solcher Doppelstern mit einer handelsüblichen Webcam fotografierbar!
Was wir brauchen ist eine "intelligente" Helligkeitssteuerung, die dunkle Bildanteile aufhellt und helle Bildanteile so läßt wie sie sind. Rein technisch haben wir es mit einer "nicht-linearen" Helligkeitskurve zu tun, die dort, wo es dunkel ist, besonders steil verläuft, und dort wo es hell ist, relativ flach ist, also insgesamt eine Kontrastverstärkung im Dunkeln die mit einer Kontrastabschwächung im Hellen "bezahlt" wird.
Und schon wird unser "12-er" Sternchen sichtbar, wenn auch stark verrauscht, denn am Signal/Rauschverhältnis ändert sich auch in diesem Falle absolut garnichts! Doch die Information ist vorhanden und kann durch Aufaddieren vieler Einzelbilder besonders gut herausgearbeitet werden. Riesige Kontraste von weit über 1:100 sind übrigens bei fast allen Himmelsobjekten die Regel, nur die feinen Wolkenstrukturen auf Jupiter und Saturn, die Oberflächendetails auf dem Mars, sowie Doppelsterne mit gleichhellen Komponenten bilden einige der seltenen Ausnahmen. Daher macht ein hoher Gammawert bei diesen "8-Bit-Kameras" in der Regel auch Sinn.
Fazit:
Meist kann der Gamma-Wert auf einen hohen oder sogar den höchsten Wert eingestellt werden. Aufpassen bei den erwähnten Ausnahmen.
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