Der Klimawandel und die praktische Astrofotografie
"Heute ist ein schöner Tag, Ganymed wirft seinen großen Schatten auf Jupiter, das dürfen wir nicht verpassen!"
Das war einmal. Wer heute mit einer solchen Einstellung an die Astrofotografie herangeht, der wird eine Enttäuschung nach der anderen erleben, und sein Ende als Astrofotograf ist nur noch eine Frage der Zeit. Denn unser Sternfreund hat die Rechnung ohne die vielen Wolken gemacht, die mit einer mittlerweile um 90% (um 80% in den letzten Jahren) schwankenden Wahrscheinlichkeit den Himmel über Mitteleuropa bedecken und eine sinnvolle Astrofotografie unmöglich machen.
• Der Klimawandel
Es ist nicht mehr zu übersehen: Wir erleben gerade einen dramatischen Klimawandel. Bedingt durch das massive Verbrennen fossiler Energieträger reichern wir unsere Atmosphäre mit immer mehr Kohlendioxid an, ein Gas, das das Abstrahlen von Wärmestrahlung in den Weltraum behindert und durch eine Verschiebung des Wärmegleichgewichts der Erde zu einer enormen Erwärmung der gesamten Planetenoberfläche führt. Diese Erwärmung betrifft natürlich auch unsere Weltmeere, und die stark progressive Dampfdruckkurve des Wassers führt selbst bei einem geringen Temperaturanstieg zu einer dramatisch ansteigenden Verdunstung und damit zu einer verstärkten Wolkenbildung, die durch das massive Ausbringen von Aerosolen (Kondensationskeime) noch weiter unterstützt wird (---> Global Dimming - leider nicht mehr ganz aktuell ...). Und diese "globale Verdunkelung" durch verstärkte Wolkenbildung bekommen wir in Mitteleuropa aufgrund der besonderen Lage zwischen dem nahen atlantischen Golfstrom und der weltweit größten Landmasse besonders stark zu spüren.• Wie geht´s weiter in Mitteleuropa?
Kurz gesagt: Wärmer, Wechselhafter, WindigerAktuelle Klimamodelle weichen von ihren ´Vorgängermodellen´ mittlerweile nur noch geringfügig ab und gewinnen offenbar immer mehr an Treffsicherheit wenn sie uns vorrechnen, wohin die Reise für uns Mitteleuropäer geht: Insbesondere die Winter werden immer wärmer, während es im Sommer eher wechselhaft und nur gemäßigt warm weitergeht. Aber vor allem: Es wird feuchter - viel feuchter! Denn - wie schon angedeutet - die mittlere Wasserdampfsättigung der Erdatmosphäre nimmt immer weiter zu (Soden et al. 2005, Arnell 2006, siehe auch www.ub.uni-konstanz.de). Dabei darf nicht vergessen werden, daß der Wasserdampf ein gegenüber dem CO2 noch weit effektiveres ´Treibhausgas´ darstellt - eine für uns verhängnisvolle Spirale! Die Zeiten mit langen, beständigen Schönwetterperioden werden immer seltener werden und schließlich nur noch in unserer Erinnerung stattfinden. Einen Sommer wie der in 2003, der verfrüht aber dennoch mit einiger Berechtigung bereits heute den Titel ´Jahrhundertsommer´ trägt, werden wir wohl alle nicht noch einmal erleben. Dagegen werden Hochwassersituationen wie im August 2005, sowie März, April und Mai 2006 und mittlerweile mehrfach jährlich an Stärke und Häufigkeit weiter und eher progressiv zunehmen. Auch massive Verwüstungen durch immer häufiger auftretende Orkantiefs / Hurricans / Taifune werden noch ein großes Thema werden. Weltweit!
Nachtrag 2013:
Es mehren sich die Anzeichen dafür, daß sich das Polarmeer deutlich stärker erwärmt als die Gewässer südlich davon, die durch den Golfstrom erwärmt werden. Das hat zur Folge, daß durch den geringeren Temperaturunterschied dem Islandtief die Energie entzogen wird und sich dort tendenziell eher Hochdruckgebiete aufbauen, die Mitteleuropa mit Kaltluft aus Skandinavien oder Sibirien (je nach genauer Lage und Größe des Hochs) statt mit warmer Atlantikluft versorgen. Die weiter südlich ziehenden Tiefs verstärken die kalte Ostströmung noch. Besonders häufig dürften sich Genuatiefs bilden, an deren Ostseite warme Luft nach Norden transportiert wird, die in der Höhe auf die dort vorhandene Kaltluft aufgleitet und damit die Wolkenbildung über Mitteleuropa beträchtlich verstärkt. Gegen den weltweiten Trend könnte es in Mitteleuropa durch diesen Effekt sogar kälter werden mit einem rasanten Anstieg der mittleren relativen Luftfeuchte. Die entsprechenden Meßwerte der letzten Jahre scheinen diesen Trend bereits recht eindrucksvoll zu bestätigen. Die Meßwerte stammen übrigens von der Klimastation Bad Tölz.
• Wie damit umgehen?
"Eine klare, mondlose Nacht mit ausgezeichnetem Seeing ist schon heute eins der seltensten 'astronomischen' Ereignisse überhaupt"
Diese etwas ungewöhnliche Kernaussage sollte sich jeder Astrofotograf gut merken. Trotzdem ist dies kein Grund zu resignieren und die Astrofotografie nun ganz einzustellen, so wie ich es unlängst in einem bekannten Astronomieforum erleben mußte. Aber die eigene Sichtweise sollte man an die genannten Gegebenheiten anpassen und eine Nacht ohne jedes Gewölk mit einem guten Seeing als etwas Seltenes und Kostbares ansehen. Doch auch bei teilweise bedecktem Himmel ist die Astrofotografie eingeschränkt möglich. Voraussetzung ist allerdings eine sehr präzise Nachführung! Bei diesem "Wolkenlückenfotografieren" hat sich der Einsatz einer Webcam sehr bewährt, aber auch mit Astrokameras funktioniert das noch ganz gut, sofern die Belichtungszeit für die Einzelaufname entsprechend kurz gehalten wird:
- Erste Wolkenlücke zum Ausrichten des Teleskops und die Fokussierung nutzen. Hier wird klar, wie wichtig es ist, daß das Teleskop "dranbleibt", denn bis zur nächsten Wolkenlücke am richtigen Ort kann ganz schön viel Zeit vergehen.
- Aufnahmeserie / Einzelbelichtung unmittelbar vor der nächsten Wolkenlücke starten. Im Sucher kann diese meist recht gut erspäht werden. Belichtungszeit kurz halten, sie muß zur Zeitdauer der Wolkenlücke passen. Meist sind nur um die 10s drin. Die Einzelaufnahmen können später zur Gewinnung "zusätzlicher" Belichtungszeit addiert werden.
- Zeigt sich das Objekt auf dem Bildschirm, nur im Notfall die Nachführung (vorsichtig aber zügig!!!) korrigieren. Denn die betroffenen Frames verwackeln auch bei kurzer Belichtungszeit hoffnungslos. Es muß bei sehr kurzen Belichtungzeiten auch nicht pixelgenau nachgeführt werden, das präzise Ausrichten wird erst beim Stacken vorgenommen.
- Falls ein Autoguider eingesetzt wird, so darf dieser beim Verlust des Leitsterns nicht einfach aufgeben, sondern muß das Guiden nach "Wiedererstrahlen" des Leitsterns unverzüglich wieder aufnehmen. Notfalls die Montierung ein wenig "nachschubsen". Während einer längeren Bedeckung des Leitsterns das Guiden abschalten, da sonst die Gefahr besteht, daß der Autoguider das Teleskop ´in die Wüste´ guidet.
- Solange weitere Wolkenlücken nutzen, bis eine ausreichende Menge an brauchbaren Einzelbildern (=Frames) zusammenkommt. Das kann manchmal mehrere Stunden dauern, was aber völlig normal ist.
- Hinterher alle "vernebelten" und verwackelten Frames unbedingt vor dem Stacken aussortieren.
• Die persönliche Einstellung:
Vor jeder Astrofotografie steht immer die Beobachtung und - noch viel wichtiger - die Beobachtbarkeit der Gestirne. Anstatt also nach seltenen astronomischen Ereignissen Ausschau zu halten, von denen man wetterbedingt ohnehin nichts mitbekommt (außer im Internet vielleicht), ist die folgende Einstellung weitaus erfolgsversprechender:
"Die kommende Nacht verspricht, eine sternenklare zu werden, schaun wir mal, was wir da so alles zu sehen bekommen."
• Die Vorbereitung:
Sollte sich eine sternklare Nacht, also kein Nebel oder starker Dunst, keine tiefen, mittelhohen oder hohen Wolken, ankündigen, dann sollte eine solche Kostbarkeit am frühen Abend oder schon am Nachmittag vorher gründlich vorbereitet werden:
- Eine ´Wunschliste´ anfertigen, Koordinaten und Aufsuchkarten nicht vergessen. Falls geguidet werden muß, Helligkeit, Position und Abstand des Leitsterns vom zu fotografierenden DSO unbedingt notieren. Sonst verschwendet man kostbare ´Beobachtungs´zeit.
- Diese ´Wunschliste´ um den Neumond herum unbedingt extrem ´DSO-lastig´ gestalten. Um den Vollmond herum verstärkt auf Planeten, Kleinplaneten und Doppelsterne gehen, aber auch die hellsten Planetarischen Nebel und Sternhaufen sind dann noch bedingt beobachtbar.
- Teleskop / Kamera / Webcam überprüfen, ggf. Optik / Chip reinigen. Die letzte "Session" liegt unter Umständen schon Wochen zurück. Und der allgegenwärtige Staub mag ganz besonders die Glasabdeckungen der Kamerachips und macht sich als häßliche "Elefanten" im Bild bemerkbar.
- Warm anziehen!!! Die nächtlichen Tiefsttemperaturen unmittelbar über dem Erdboden liegen in klaren Nächten nur im Sommer deutlich über dem Gefrierpunkt. In allen anderen Jahreszeiten nur um diesen herum oder deutlich darunter. Besonders gern frieren Hände und Füße ein. Kopfbedeckung ist sinnvoll, denn über die Kopfhaut wird besonders viel Wärme abgegeben, die dem Körper dann zusätzlich fehlt. Volles Haar ist gut - Mützchen und Kapuze drüberziehen ist besser ;=}
- Wenn Aufnahmen mit der Webcam beabsichtigt sind, für ausreichend Platz auf der Festplatte sorgen. Akkuladung des Notebooks überprüfen. Im Warmen hat man rund 4 Stunden Zeit, draußen gehen nach spätestens 40 Minuten die Lichter aus, wenn man das Gerät nicht etwas wärmeisoliert.
- Darkframes sollten nicht während einer sternklaren Nacht aufgenommen werden. Das ist pure Verschwendung! Nach Möglichkeit auch die Flats in die Zeiten mit "normalem" - sprich - bewölktem Wetter verschieben.
• Nacht und Nebel
Fast schon ein ärgerlicher ´Klassiker´: Nach einem sonnigen Tag freut man sich auf eine klare ´Astro-Nacht´. Doch kaum wird es dunkel, zieht dichter Nebel oder Gewölk auf und beendet diese bevor sie richtig begonnen hat. Aber warum ist das so?
Dazu sollte man wissen, daß die absolute Luftfeuchtigkeit praktisch unabhängig von der Tageszeit verläuft. Sie ist lediglich abhängig vom Zustrom unterschiedlich feuchter Luftmassen, bleibt also bei konstanter, windarmer Witterung nahezu konstant. Daraus folgt, daß die relative Luftfeuchtigkeit nur noch von der Temperatur abhängig ist. Fällt letztere, nimmt die Fähigkeit der Luft ab, Wasserdampf aufzunehmen, und damit steigt die relative Luftfeuchtigkeit. Beim sogenannten Taupunkt erreicht die relative Luftfeuchtigkeit dann schließlich 100%, in der Folge wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Nebel oder in der Höhe Wolken bilden.
Da man den Taupunkt aus den Werten für Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit leicht berechnen kann, bekommt man eine relativ sichere Aussage darüber, bei welcher Temperatur die Nebelbildung dem ´astronomischen Treiben´ ein Ende setzen wird. Andererseits wird die Temperatur bei ruhigen Wetterlagen und in Tallagen stets in die Nähe aber nur äußerst selten unter den Taupunkt sinken. Auf diese Weise bekommt man außerdem eine gute Abschätzung über die zu erwartende nächtliche Tiefsttemperatur im Tal, ein klarer Himmel bei geringer Luftbewegung natürlich vorausgesetzt.
Beispiel:
Bei einer Temperatur von +2°C und einer relativ geringen Luftfeuchtigkeit von 70% am frühen Abend wird die nächtliche Tiefsttemperatur wahrscheinlich auf -2°C bis minimal -2,9°C sinken, wobei letzterer Wert dann wahrscheinlich zur Nebelbildung führt, besonders dann, wenn in der Umgebung größere Wasserflächen oder Feuchtgebiete vorhanden sind.
• Die Bewölkungswahrscheinlichkeit:
Zum Abschluß noch ein paar interessante Daten aus der Region:
Wettermessungen in Bad Tölz ab 01.01.2025
Bewölkungswahrscheinlichkeit: 84,05 % Stand: 2024-06-11
(tagsüber)
Bewölkungswahrscheinlichkeit: 83,52 % Stand: 2025-04-01 (nachts)
Niederschlagswahrscheinlichkeit: 32,52 % Stand: 2024-06-11
Die ermittelten Werte stellen nicht den augenblicklichen Zustand dar, sondern sind Mittelwerte aus dem aktuellen Jahr und entstammen automatisierten Wettermessungen. Diese gelten natürlich nur für die Region um Bad Tölz, sind aber mit geringen Abweichungen auch auf das übrige südliche Bayern übertragbar. Die Mittelwerte für ganz Mitteleuropa dürften in der gleichen Größenordnung liegen.
Auffallend ist übrigens die deutliche Neigung zu mehr Bewölkung in der Nacht, was aber angesichts der im Abschnitt ´Nacht und Nebel´ genannten Fakten nicht weiter verwundert.
Anmerkung 2011 / 2015:
Das Jahr 2011 war meteorologisch gesehen mehr als ungewöhnlich. Insgesamt - gegen den allgemeinen Trend - viel zu trocken und trotz des naßkalten Sommers viel zu warm. Schuld daran waren gleich zwei ungewöhnlich lange Trockenperioden von Februar bis April und von Mitte August bis Ende November. In diesen Trockenperioden gab es gleich 3 stabile Omega-Wetterlagen, die für viele sonnige Tage und sternklare Nächte sorgten. Ähnlich trocken in 2015, hier waren es ungewöhnlich stabile Mittelmeerhochs, von denen insbesondere der äußerste Süden Deutschlands profitieren konnte. Behalten wir uns das "astronomisch" schöne Wetter in 2011 / 2015 in bester Erinnerung...
Vorjahreswerte: | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | ||||||||||||
Bewölkungswahrscheinlichkeit Tag: | 71,23 % | 72,05 % | 75,14 % | 79,18 % | 82,19 % | 68,22 % | 73,97 % | 76,99 % | 78,90 % | 65,48 % | 77,26 % | 73,70 % | ||||||||||||
Bewölkungswahrscheinlichkeit Nacht: | 80,05 % | 79,73 % | 81,97 % | 81,92 % | 85,48 % | 75,07 % | 83,29 % | 85,48 % | 83,56 % | 79,18 % | 85,48 % | 83,29 % | ||||||||||||
Niederschlagswahrscheinlichkeit: | 31,78 % | 34,25 % | 28,96 % | 33,97 % | 36,71 % | 25,75 % | 32,88 % | 35,07 % | 31,23 % | 26,30 % | 32,88 % | 33,97 % |
Zum besseren Verständnis: In der Praxis haben wir demnach im Durchschnitt etwa um 3 (um 6 vor 18 Jahren und davor) wolkenarme Nächte pro Monat, davon werden aber rund die Hälfte vom Mondlicht "deepskyuntauglich" gemacht. Hochgerechnet ergeben sich also gerade mal 3 × 12 / 2 = 18 "gute" Beobachtungsnächte im ganzen Jahr, von denen nur etwa 9 auch ein halbwegs gutes Seeing mitbringen. Diese Momentanwerte dürften sich in den nächsten Jahren im Mittel allmählich immer weiter verschlechtern.
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