Astrofotografie :: Polachse ausrichten (´Scheinern´)

 
Das präzise Ausrichten der Polachse einer parallaktischen Montierung ist für die Astrofotografie zwingend erforderlich. Am gebräuchlichsten ist die Methode nach Scheiner.

Polachse ausrichten (´Scheinern´)

Inhaltsverzeichnis:

  1. Grob ausrichten
  2. Die Scheiner-Methode
  3. Vorbereitung
  4. Azimutale Ausrichtung
  5. Einstellen der Polhöhe
  6. Zusammenfassung

Parallaktisch aufgestellte Montierungen werden in der Regel nur in einer Achse nachgeführt. Bei einer präzise ausgerichteten Polachse genügt das auch völlig. Aber gerade diese präzise Ausrichtung ist alles andere als trivial. Sind länger belichtete Aufnahmen beabsichtigt, dann muß man mit der Achse schon auf weniger als 1´ an den Himmelspol herankommen, denn das Abdriften eines Sterns beträgt rund 0,262" pro Minute und Abstand der Polachse vom Himmelspol in Bogenminuten. Bei einem Fehler von nur 10' und einer Belichtungszeit von 5 Minuten driftet der Stern bereits rund 13,1" ab, was völlig inakzeptabel ist.

Grob ausrichten

Bevor man ´scheinert´ sollte die Polachse schon mal einigermaßen genau ausgerichtet werden. Zum groben Einstellen der Polhöhe genügt eine Wasserwaage mit einstellbarem Winkel. Die Polhöhe damit auf den Breitengrad des Standorts einstellen (z.B. 48° für München oder 51° für Düsseldorf). Der Fehler beträgt dann etwa +/- 30´.

Das Ausrichten in der azimutalen Richtung ist etwas schwierig wenn man den Polarstern nicht sieht. Man sollte dann einen markanten Punkt kennen, der sich exakt in südlicher Richtung befindet und diesen mit waagerechter (Wasserwaage) Gegengewichtsstange mit dem Teleskop anpeilen. Ist der Polarstern sichtbar, kann man diesen mit den Teleskop anpeilen. Polhöhe und Azimutverstellung so einstellen, daß sich der Polarstern bei Drehung der Polachse im Okular bzw. Kamera möglichst wenig bewegt. Danach ungefähr 1 ½ Monddurchmesser (genauer Wert: 41,5´ für 2010) in Richtung Himmelspol (dessen Lage zum Polarstern man ungefähr kennen sollte) korrigieren.

Auf diese Weise ist man recht schnell ziemlich nah am Himmelspol dran, was für die visuelle Beobachtung und für kurz belichtete Aufnahmen völlig genügt.

Für die Astrofotografie von lichtschwachen DSO genügt das jedoch bei weitem nicht, insbesondere dann, wenn neben längeren Belichtungszeiten auch mit mehr Brennweite (1m und aufwärts) ´gearbeitet´ wird. Denn dann macht sich ein Effekt sehr unangenehm bemerkbar, den wir hier ´Sterndrift´ nennen wollen. Dieser Sterndrift kommt schnell in Größenordnung von 10"/min und mehr. Mit dem folgenden ´Taschenrechner´ kann man sich schon mal vorab ein Gefühl darüber verschaffen, mit welchen Größenordnungen wir rechnen müssen.

Sterndrift oder Fehljustierung berechnen
Bedingungen:Der unvermeidliche Taschenrechner: Mit ihm lassen sich die Zusammenhänge schnell berechnen.

Man kann auch im nachhinein bestimmen, wie weit man mit der Polachse daneben gelegen hat, wenn man sich schon mal über Strichspuren in der Aufnahme geärgert hat.

Fehljustierung [ ´ ]:
Belichtungszeit [ min ]:
Sterndrift [ " ]:
Bildfeldrotation [ " ]:

Die Scheiner-Methode

beruht auf dem Prinzip, daß ein Stern, der sich genau im Süden befindet, auch bei ungenau ausgerichteter Polhöhe praktisch nur in vertikaler Richtung driftet. Denn der Stern bewegt sich in dieser Situation fast genau in waagerechter Richtung, so daß die eingestellte Polhöhe beim Nachführen in waagerechter Richtung praktisch keinen Einfluß hat. Steht der Stern jedoch im Osten oder Westen, dann kann er bei ungenau ausgerichteter Polachse in beide Richtungen driften, da seine scheinbare Bewegungsrichtung den maximalen vertikalen Anteil hat. Man möchte also beide Justierungskomponenten sauber voneinander trennen. Aus diesem Grunde fängt man stets mit der azimutalen Ausrichtung der Polachse an.

Vorbereitung

Mittels Wasserwaage sollte dafür gesorgt werden, daß der Untergrund, auf dem die Montierung steht, möglichst keinerlei Neigung aufweist. Nach grober Justierung der Polachse peilt man nun mit hoher Vergrößerung einen Stern an, der genau im Süden steht. Nachführung laufen lassen und mit den Steuerungstasten etwas hin- und herfahren. Okular oder Kamera so ausrichten, daß sich der Stern dabei exakt waagerecht bewegt. Die Ausrichtung von Okular bzw. Kamera danach nicht mehr verändern.

Azimutale Ausrichtung

Es wird mit maximal hoher Vergrößerung ein ausreichend heller Stern etwa ½ Stunde vor seinem Meridiandurchgang im Süden eingestellt. Dieser Stern sollte möglichst hoch stehen um den Fehler der atmosphärischen Refraktion möglichst klein zu halten. Driftet dieser Stern nach Norden, muß die Polachse von oben gesehen ganz leicht nach rechts (im Uhrzeigersinn), also in westliche Richtung, gedreht werden. Im umgekehrten Fall natürlich nach links. Wenn der Stern ca. 20 Minuten (oder ca. 4-mal länger als man beabsichtigt zu belichten) seine Höhe nicht verändert, ist die azimutale Ausrichtung abgeschlossen.
 

Einstellen der Polhöhe

Nun wird ein Stern in östlicher Richtung angepeilt. Auch hier ist auf eine ausreichende Horizonthöhe zu achten. Wenn der Stern nun in nördliche Richtung driftet, muß die Polhöhe leicht verringert und im umgekehrten Fall erhöht werden. Wählt man einen Stern in westlicher Richtung, dann verhalten sich die Dinge genau umgekehrt. Wenn der Stern wiederum ca. 20 Minuten seine Höhe nicht verändert, ist die Justierung der Polhöhe abgeschlossen.

In beiden Fällen wird der Stern immer wieder leicht hin- und herwandern, was auf den Schneckenfehler zurückzuführen ist und hier ignoriert werden kann.

Man kann sich also leicht vorstellen, daß das präzise ´Scheinern´ schnell ein paar Stunden dauern kann, so daß diese Methode nur bei fest aufgestellten Montierungen und Vollmond wirklich Sinn macht. Dafür kann man danach viele Minuten am Stück belichten ohne daß sich ein Abdriften als längliche Sterne in der Aufnahme unangenehm bemerkbar macht. Eine gute Nachführkontrolle ist natürlich Voraussetzung für ein solches Vorhaben.

Zusammenfassung für Querleser:

  1. Azimutale Ausrichtung:
    Stern im Süden driftet nach Norden: Polachse von oben gesehen ganz leicht im Uhrzeigersinn korrigieren
  2. Polhöhe justieren:
    Stern im Osten driftet nach Norden: Polhöhe leicht verringern.
 
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